Ich muss gar nichts!

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„Ich muss gar nichts!“

Diesen Satz kennst du bestimmt, oder? Eine kleine Bitte – wie zum Beispiel beim Abwasch zu helfen, die Schuhe wegzuräumen oder die Hausaufgaben zu erledigen – führt schnell zu Diskussionen, die die Zeit der eigentlichen Aufgabe längst überschreiten. Aber warum reagiert dein Kind so?

MUSS ist Zwang

In meiner Raus aus dem Schulchaos-Facebook-Gruppe habe ich neulich gefragt, was sich für die Mütter besser anhört: „Ich bügle heute Abend“ oder „Ich muss heute Abend bügeln“. Das Ergebnis war eindeutig: Das „muss“ löst sofort einen inneren Widerstand aus, richtig?

Genauso geht es auch deinem Kind bei den Hausaufgaben. Das liegt daran, dass „müssen“ genauso wie „sollen“ fremdbestimmende Worte sind. Das „muss“ drückt für dein Kind somit einen unangenehmen Zwang aus, der sich sofort in einer negativen Gefühlsregung zeigt.

„Dürfen und wollen“ anstatt „müssen und sollen“ 

Wir sind immer wieder bei dem Thema, wie ich Kinder zum Lernen motivieren kann. Und da gilt es, die MACHT DER SPRACHE zu beachten. Wenn du also das unangenehme Gefühl bei Deinem Kind oder gar den Widerwillen reduzieren willst, dann achte auf Deine Sprache. Lass fremdbestimmende Worte weg und ersetze sie durch selbstbestimmende:

Fremdbestimmende WorteSelbstbestimmende Worte
✘ müssen
✘ sollen
✔ möchten
✔ wollen
✔ dürfen
✔ können

Ein paar Anwendungsbeispiele:

  • „Du musst noch deine Hausaufgaben machen!“ ►  „Machst du Deine Hausaufgaben?“
  • „Wir müssen noch für die Klausur lernen“  ► „Möchtest du gemeinsam für die Klausur lernen?“
  • „Ich muss noch Hausaufgaben machen“ ► „Ich mache Hausaufgaben.“

Fühlt sich doch gleich besser an, oder? Gleiches Prinzip, gleiche Wirkung. Nutze die Macht der Sprache für Dich und beeinflusse damit die Motivation deines Kindes.

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Zusatz:  Wissenschaftliche Studie belegt: „Müssen“ und „Sollen“ sind ungesund

Sven Lebort von der Freien Universität Berlin berichtet von einer wissenschaftlichen Untersuchung, wie Sprachmuster unser Lernen und unser Wohlbefinden beeinflussen:  „Das „Müssen“ und das „Sollen“ sind ungesund. Sie steigern den Blutdruck, verkrampfen die Muskeln und lassen die Blutfettwerte steigen. Das „Dürfen“ und das „Wollen“ hingegen tun dem Körper gut: Die Muskulatur entspannt sich, der Blutdruck sinkt und das klare Denken wird leichter. Sechs Modalverben kennt die deutsche Sprache: eher fremdbestimmende wie „müssen“ und „sollen“, selbstbestimmte wie „möchten“ und „wollen“ und schließlich „dürfen“ und „können“, die zwischen beiden Polen stehen. Wer noch zwischen mögen und möchten unterscheidet, kommt auf sieben. Jeder verwendet diese Modalverben hundertfach im Alltag – meistens, ohne über die Auswirkungen nachzudenken.

Das könnte ein Fehler sein, sagt Jens Fleischhut, Lehrbeauftragter für Neuropädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin. In einem mehrjährigen Forschungsprojekt ist er der Frage nachgegangen, wie sich das unbewusste Aktivieren von Gefühlen durch Sprachmuster zur Entwicklungs- und Lernförderung nutzen lässt – und zur Gesundheitsförderung. Seine zentrale Frage lautete: Gibt es spezielle Sprachmuster, die die Entwicklung hemmen, das Lernen stören und sogar die Gesundheit beeinträchtigen?

„Das Projekt ist erst durch die stürmische Entwicklung der Neurobiologie möglich geworden“, sagt Fleischhut. Denn durch neue bildgebende Verfahren lasse sich das Gehirn beim Denken und Fühlen beobachten. So lernten die Neurologen, dass die im Gehirn eingehenden Signale – Bilder ebenso wie Töne, Gerüche oder Berührungen – gemeinsam mit den dabei entstehenden Gefühlen, der momentanen Körperhaltung und den zugleich gesprochenen Worten gespeichert werden – als ein verknüpfter Komplex. Dieser Vorgang läuft unterhalb der Bewusstseinsschwelle ab, ist also willentlich nicht steuerbar.

Das Vermeiden negativer Formulierungen kann das Lernen erleichtern

Die jüngeren Erkenntnisse zeigen ohnehin, dass der Kognition – dem Verstand – keineswegs die Hoheit über die eigenen Lebensentscheidungen zukommt: Zu 90 Prozent regeln Emotion und Intuition – früher das „Unbewusste“ genannt – unsere Entscheidungen, nur etwa zehn Prozent bleiben dem Verstand. Wer einmal versucht hat, mit mehr oder weniger lieb gewonnenen Gewohnheiten wie dem Rauchen aufzuhören, nur weil er deren Schädlichkeit einsah, hat das am eigenen Körper erfahren.

Positive Sprachmusterkopplungen, darunter das bewusste Verwenden der selbstbestimmten Modalverben wie „möchten“ und „wollen“, aber auch das Vermeiden negativer Formulierungen, können helfen, solche ungesunden Muster zu durchbrechen, denn sie erleichtern das Lernen: „Die Automatismen der frühen Kindheit verkümmern, ungünstige Verknüpfungen lösen sich auf“, sagt Jens Fleischhut, der aus seinen Erkenntnissen ein „mentales, neurowissenschaftliches Kommunikationstraining“ entwickelt hat. Der Effekt positiver Sprachmuster und ihrer körperlichen Rückkopplungen auf den Sprechenden sei „enorm“, schwärmt der Forscher.

Da es sich um wirkstofflose Mechanismen handelt, gebe es quasi keine Nebenwirkungen. Der Nutzen sei dagegen groß, sowohl im persönlichen und beruflichen Bereich als auch in der Wirtschaft: Es mache nicht nur für den Kunden, sondern auch für den Angestellten einen Unterschied, ob er auf die Frage nach einem Produkt „Nein, das haben wir nicht!“ sage oder „Ja, das bestelle ich gern für Sie!“ Positive Sprachmuster würden nämlich nicht nur der Gesundheit helfen, sondern auch dem Selbstvertrauen, dem Selbstbewusstsein und dem Selbstwertgefühl. „Den größten Effekt haben die Sprachmuster dabei auf den Sprecher selbst“, sagt der Forscher, „doch selbst Zuhörer können gesundheitlich profitieren, wenn auch in geringerem Maße.“

Vier Jahre lang hat Jens Fleischhut recherchiert und seine Erkenntnisse zusammengetragen, als „Ein-Mann-Projekt“, wie er sagt, aber mit einem „virtuellen Team“ aus Neuropädagogen, Psycholinguisten und den führenden Neuroforschern wie Gerald Hüther, Joachim Bauer, Wolf Singer, Gerhard Roth und Manfred Spitzer. In einer zweiten Phase soll nun eine umfassende empirische Überprüfung folgen.

Die Studierenden der Freien Universität profitieren gleich doppelt von dieser Forschung: Zum einen, weil Jens Fleischhut die Ergebnisse in seine Lehre einbezieht, zum anderen, weil er sie dabei auch anwendet. Das erleichtert das Lernen.

Wir sollten diese Erkenntnisse auf alle Fälle auch für die Motivation unserer Kinder nutzen und das müssen und sollen so weit es geht aus unserm Sprachschatz verbannen, solange wir Kinder zum Lernen motivieren wollen.

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2 Responses

  1. Hallo Petra,
    der Beitrag ist sehr interessant und schlüssig. Die Anwendungsbeispiele halte ich auf Grund der Suggestivfragen fragwürdig formuliert. Die Einladung und Freiheit an die Kinder diese mir“NEIN“ zu beantworten ist sehr groß. Dies ist eeine Falle in die meiner Erfahrung nach viele Eltern ständig tappen. Eine freundliche Sprache kann auch ohne Fragestellung angewendet werden.
    Bitte erledige deine Hausaufgaben!

    1. Danke für diesen Kommentar. Hatte direkt denselben Gedanken.
      Aber trotzdem interessanter Artikel, ich werde versuchen es umzusetzen.

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