Eigentlich arbeite ich als Lerncoach mit Kindern und Jugendlichen meist an ganz unterschiedlichen Bereichen. In letzter Zeit kommen jedoch geballt Anfragen zum Thema Konzentration aus allen Klassenstufen. Schülerinnen und Schüler hängen im Moment an diesem Thema sehr viel mehr als an inhaltlichen Fragestellungen. Sie schaffen es nicht, ihre Aufmerksamkeit zu bündeln und für eine bestimmte Zeit auf eine Aufgabe zu richten.
Woran liegt das?
Viele Faktoren spielen eine Rolle, einer davon ist das Gehirn. Es besteht aus zwei Hälften, auch Hemisphären genannt, die verschiedene Aufgaben haben. Die Bereiche sind verbunden, die Qualität der Verbindungen schwankt jedoch und davon hängen Aufnahmebereitschaft, Leistung und Möglichkeiten ab. Die aktuelle Stimmung ist ebenso wichtig für die Konzentrationsfähigkeit wie die Aufgaben selbst und das Interesse dafür. Die Umgebung, in der man lernt, spielt eine Rolle genau wie das eigene Können und die psychische Verfassung. Und Eltern werden sofort ergänzen, dass die Intensität der Handynutzung bei Kindern sich drastisch auf deren Konzentrationsfähigkeit auswirkt.
Dabei reicht es nicht, wenn die Konzentration zuhause am Schreibtisch gut funktioniert, aufmerksames Arbeiten muss unabhängig von vielen Faktoren gelingen: Nebengeräuschen von vorbeifahrenden Feuerwehrautos, piependen Handys und Telefonen, umhergehenden Lehrern oder telefonierenden Kollegen, störenden Gedanken, lähmenden Blockaden. Und: Konzentrationsprobleme gibt es nicht nur bei Schülern, auch sehr viele Erwachsene leiden darunter, beispielsweise in Großraumbüros.
Wollen Sie einen Konzentrationstest machen?
Was heißt das überhaupt, sich konzentrieren? Die Katze richtet Ihre gesamte Aufmerksamkeit mit starrem Blick auf das Mäuseloch, damit die Maus nicht entwischt. Und wir Menschen lenken unsere Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Thema wie den Strahl einer Taschenlampe. Willentlich und für eine bestimmte Zeit, unabhängig von Ort und äußeren Umständen.
Drei Fragen sind wichtig, wenn wir unsere oder die Konzentration unserer Kinder verbessern möchten: Haben wir die Gedanken unter Kontrolle? Können wir uns vor äußeren Einflüssen abschotten? Stimmen die Voraussetzungen, um konzentriert zu arbeiten?
Vor ein paar Wochen rief mich eine Mutter an, weil ihre Tochter Konzentrationsprobleme habe. Im Coaching stellte sich dann heraus, dass das Mädchen zuhause hervorragende lernt, in der Schule aber permanent unter Strom steht, weil sie von einem Klassenkameraden gemobbt wird. Da kreisen die Gedanken in der Schule ständig um die Frage, was dieser als nächstes tun wird, anstatt sich auf Mathe oder Deutsch zu fokussieren. Häufig klappt aber auch das Arbeiten zuhause nicht, weil störende Gedanken wie Kobolde immer wieder dazwischen funken. Dann hilft es, zunächst einmal den Gedanken und Gefühlen Zeit zu geben. Fünf oder zehn Minuten investieren und an alles denken, was stört und was damit zu tun haben könnte. In dieser Gedankenpause denken Sie nur an die Störung und hören auch nicht früher damit auf. Sie werden merken, dass Sie gar nicht so lange brauchen. Sie können die Gedankenkobolde auch aufschreiben oder in eine Gedankenschachtel packen. So werden Sie sie auf keinen Fall vergessen! Handycheck sollte alle 30 oder 60 Minuten je nach Alter ebenfalls eingeplant werden, damit nicht ständig überlegt wird, ob man nichts Wichtiges verpasst.
Wer sich leichter fokussieren will, kann auf dem Weg dorthin – also während er oder sie sich an den Schreibtisch setzt, den Computer hochfährt, die Unterlagen zurecht legt – sein eigenes Tun kommentieren: „Ich setze mich, hole die Bücher, schlage mein Heft auf, sehe mir die Aufgabe an, packe meinen Stift aus….“ Dabei bündeln Sie die Aufmerksamkeit immer mehr auf die anstehende Aufgabe. Je häufiger Kinder dies tun, desto schneller gelingt es ihnen mit der Zeit.
Abschottung nach außen
Am einfachsten ist es, die Ablenkung auszusperren. Hängen Sie mit ihrem Kind ein Schild an die Tür: Lernstelle – betreten verboten. Besorgen Sie Ohrstöpsel oder Kopfhörer für Kinder mit auditiven Wahrnehmungsproblemen. Schaffen Sie einen Handyparkplatz in ausreichender Entfernung zum Kinderzimmer, so dass kein Piepen zu hören ist. Schließen Sie die Tür, schalten Sie den Anrufbeantworter im Büro ein.
Da man Störungen von außen nicht immer abstellen kann, ist es wichtig, Strategien zu entwickeln damit umzugehen. Nicht selten ist der Lärmpegel im Klassenzimmer hoch, Kinder spazieren durchs Klassenzimmer, Kollegen durchs Büro, Lärm von der Straße stört. Hier hilft es Schülern wie Erwachsenen, wenn sie lernen, sich mental abzuschotten. Innere Bilder helfen dabei: Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen Glaskapsel um den Kopf wie die Astronauten auf dem Mond oder Kopfhörer auf den Ohren. Sie nehmen nur wahr, worauf Sie konzentriert sind und können alles andere ausblenden. Störungen sind da, aber Sie registrieren sie nicht mehr.
Kinder können mit BrainGym® oder Lifekinetik üben, damit diese Strategien besser funktionieren. Erwachsene und ältere Schüler müssen sich effektive Methoden zulegen, mit Ablenkungen umzugehen. Weil sie sie nicht immer abstellen können.
Jede Störung führt zunächst zu einer Unterbrechung der Konzentration. Danach dauert es eine gewisse Zeit, bis wir wieder ein bestimmtes Level an Konzentration aufgebaut haben. So verlängert sich die Unterbrechung um diese Zeitspanne, bis wir wieder „drin“ sind in unserem Thema. Dies dauert häufig länger als die Unterbrechung selbst. Auch Erwachsene sind davon betroffen, hängt doch die Arbeitszufriedenheit stark von Ablenkungen und Unterbrechungen ab.
Grundvoraussetzungen für Konzentration
Der dritte Bereich, der häufig vergessen wird, sind die Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen und damit auch für Konzentration: Erwachsene und Kinder müssen sich ausreichend bewegen, viel trinken, auf gesunde Ernährung mit wenig Zucker und wertvollen Kohlehydraten als Energielieferanten achten. Wichtig ist außerdem Entspannung. Radfahren, joggen, lesen, chillen, meditieren, mit Freunden treffen, basteln, handarbeiten – hier kann jeder seinen persönlichen Vorlieben nachgehen. Während manche lieber in der Ruhe entspannen, powern sich die Sportskanonen lieber aus, Natur oder Action, jedem das Seine. Und als allgemeine Arbeitsstrategie für mehr Konzentration, sollte man stets eins nach dem anderen erledigen – nicht alles gleichzeitig.
Bei Problemen sollten Eltern darauf achten, ob sich ihr Kind außerhalb der Schule konzentrieren kann. Beim Sport, Musizieren, Basteln oder Spielen – überall ist die geballte Aufmerksamkeit gefragt. Schaffen es die Kinder in der Freizeit, steckt entweder etwas anders hinter Konzentrationsproblemen beim Lernen oder man muss die Fähigkeit aus dem Hobby auf die Schule übertragen lernen. Negative Glaubenssätze und blockierende Emotionen können verhindern, dass bei Arbeit oder Schule das klappt, was beim Hobby kein Problem ist. Diese können im Coaching aufgespürt und entstresst werden. Kurzzeitcoaching erzielt hier in den meisten Fällen eine spürbare Verbesserung ebenso wie mentales Training. Gerne entwickle ich mit Ihren Kindern Konzentrationsroutinen, stärkende Motivationssätze und stärke sie durch Ressourcenarbeit.
Zu viele Anweisungen, Selbstzweifel, zu hohe Anforderungen und die Frage, ob wir alles richtig machen. Zu viele Gedanken, was andere denken, Langeweile, fehlende Ziele, Misserfolge und Aufschieberitis – all dies kann zu Konzentrationsproblemen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen führen. Einen Gang zurück schalten, eines nach dem anderen erledigen – das allein kann schon einiges bewirken.
Wie schaffen Sie sich zu konzentrieren? Ich freue mich auf Ihre Anregungen und Kommentare.
2 Antworten
Sehr hilfreich, danke!
Wirklich auf den Punkt gebracht. Das ist ein guter Leitfaden für mich und meinen pubertierenden Sohn. Vielen Dank 🙏